Verständigung in deutsch-spanischen Gesprächen
LUCRECIA KEIM CUBAS
Universitat de Vic
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Während der Schwerpunkt einiger bisherigen Untersuchungen der deutsch-spanischen Kommunikation eher die Interferenzen, also letztendlich die interkulturellen Konflikte, gewesen sind, ist der Fokus des vorliegenden Beitrags auf die Verständigung gerichtet. Die Frage ist somit: wie signalisieren sich deutsche und spanische bzw. katalanische Sprecher/innen ihr Wille zur Kooperation im Gespräch? Oder anders gefragt: Was fördert auf verbaler und paraverbaler Ebene die Kooperativität im Gespräch? Die Perspektive der Untersuchung ist somit eine rein linguistische.
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1. Die Daten
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Bei den Gesprächen handelt es sich um Gesprächssimulationen zwischen Studierenden. Ein Teil dieser Gespräche wurde in Deutschland aufgenommen und die anderen in Katalonien. Die Anzahl der Gespräche ist zunächst gering, 5 deutsch-spanische, 3 deutsch-deutsche, 1 katalanisch-katalanisches. Darüberhinaus verfüge ich über Daten von Gesprächssimulationen mit Geschäftsleuten (1 spanisch-spanische und 2 deutsch-deutsche). Für die vorliegende Untersuchung habe ich nur die Daten aus den deutsch-spanischen Gesprächen mit den Studierenden verwertet. 2 dieser Simulationen sind längere komplexere Verhandlungssimulationen (jeweils 20minütig, auf Video) und 3 kürzere (jeweils 4-5 minütige, nur Audio). Bei den längeren Simulationen handelt es sich um die Abwicklung einer Verkaufsverhandlung, bei den kürzeren um die Verabredung eines Termins für die gemeinsame Herstellung einer Seminararbeit. Vorgegeben wurden bei der Verkaufsverhandlung verschiedene Preise jeweils für den Käufer und den Verkäufer und bei der Verabredung verschiedene Terminpräferenzen sowie einige unvereinbare feste Termine. In beiden Fällen wird die Wichtigkeit des Abschlusses der Verhandlung betont.
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Die Arbeit mit Simulationen ist vielen Gesprächsanalytikern in Hinsicht auf mangelnde Authentizität der Daten suspekt. Allerdings birgt sie den Vorteil, daß hier “die sprachliche Kommunikation in einer konkreten sozialen Situation arrangiert” wird. In Simulationen “werden gewohnte Situationen hersgestellt, so daß routinisierte Handlungsmuster bei den Versuchspersonen aktualisiert werden.” (cf. Schmelz 1998:341). |
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2. Theoretischer Rahmen
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Die Analyse ist einzugliedern im Rahmen der sog. interkulturellen Pragmatikstudien und die gewählte Analysemethode ist diejenige der ethnomethodologisch orientierten linguistischen Konversationsanalyse (vgl. Dausendschön und Schmale). Dieser Rahmen bedingt ein bestimmes Verständnis einiger Begriffe, die ich kurz erläutern möchte.
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Ich verstehe Kommunikation als eine Interaktion zwischen zwei oder mehr Personen, die zum Erhalt tradierter kulturell bedingter Normen beiträgt und gleichzeitig Realität, und somit (die) Kultur konstruiert (vgl. Bourdieu). Sprache wird in diesem Zusammenhang als Institution verstanden. Demzufolge verfügen die Interaktanten über ein tradiertes Weltwissen und ein Weltwissen darüber, wie sie weiteres Weltwissen generieren können. Wolff (1996) spricht in diesem Kontext von deklarativem Wissen und prozeduralem Wissen. Aber man kann nicht davon ausgehen, daß jedes Wissen kulturspezifisch ist und von Mitgliedern anderer Kulturen nicht geteilt wird. Vielmehr kann man annehmen, und hier schließe ich mich Ochs (1996) an, daß es ein "universelles Kulturprinzip" und ein "lokales Kulturprinzip" gibt.
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Ochs geht davon aus, daß viele Gesellschaften, wenn auch nicht alle, über linguistische Mittel verfügen, um bestimmte situationale Bedeutungen zu indexikalisieren. Z.B. verfügen viele Kulturen über sprachliche Mittel zur Angabe von relativer Sicherheit/Unsicherheit, ebenso können viele Kulturen Intensität/Moderation, Überraschung, positive und negative Gefühle indexikalisieren. Auch bestimmte Sprechakte wie ‘grüßen’, ‘danken’, ‘akzeptieren’, ‘ablehnen’ u.a. sind in vielen Sprachen vorhanden. Es ist sogar so, daß bestimmte Sprechakte mit bestimmten Gefühlen verbunden sein können, z.B. Unsicherheit ist eine Komponente vom Sprechakt ‘fragen’. Somit ist sie davon überzeugt, daß Kinder und “Lehrlinge" (novices) in der ganzen Welt über eine gemeinsame Basis verfügen, um ihre Erfahrungen zu sozialisieren. Diese Universalia ermöglichen erst überhaupt die interkulturelle Kommunikation.
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Trotzdem bestehen Unterschiede in der Reichweite von, die Präferenz für und den Grad/den Umfang von bestimmten Haltungen und Sprechakten in Bezug zu bestimmten Handlungen und Identitäten. Ein Beispiel für solche Unterschiede sieht man ganz deutlich bezogen auf deutsch-spanische Kommunikation beim Sprechakt ‘danken’. Obwohl er in beiden Kulturen vorhanden ist, wird in Deutschland und in Spanien in verschiedenen sozialen Situationen (Reichweite) und mit einem unterschiedlichen Präferenzgrad (Präferenz und Grad) gedankt. Ein konkretes Beispiel wäre, daß in Spanien einem Kellner/einer Kellnerin nach dem Servieren nicht gedankt wird. In Deutschland wird in dieser Situation zumindest deutlich häufiger als in Spanien 'Danke' gesagt.
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Auch die ethnomethodologisch orientierte linguistische Konversationsanalyse hat ausgehend von ganzen Diskursen herausgearbeitet, daß es jedweder Interaktion inhärenten Prinzipien gibt, die sie erst ermöglichen. Sie fragt nämlich danach “mit welchen Methoden die beteiligten gemeinsam z. B. eine argumentative Diskussion herstellen und sich gegenseitig den Gesprächsmodus aufzeigen.” (Tiittula 1999:73). Die Prinzipien, die ich nur kurz anreiße, da sie recht bekannt sind, wären:
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die Reziprozität
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das bereits von Grice (1975) eingeführte Prinzip der Kooperation |
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und die Indexikalisierung (Gumperz spricht hier von Kontextualisierungshinweisen). |
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Eine der grundlegenden Voraussetzungen für die Interaktion ist die Reziprozität, d.h. die wechselseitigen Unterstellungen der Interaktionspartner bzgl. ihrer gegenseitigen Bereitschaft sich auf das “Spiel” der Kommunikation einzulassen, so daß die Vagheit der ausgetauschten Symbolgesten überwunden wird. Zum Beispiel, eine ausführliche Antwort auf die Frage “wie geht’s?” bedeutet ein bewusstes Nichteinhalten der Reziprozität, der “Regeln des Spiels”. Daraus ergibt sich die konditionelle Relevanz oder “Prinzip der vorgreifenden Aktivitätsfestlegung” (vgl. Kallmeyer). Die Interagierenden organisieren ihre Aktivitäten in Komplexen, sog. Odnungsstrukturen, die bestimmte Aktivitäten erwarten lassen. Nach einer Frage wird eine Antwort erwartet, oder nach einem Gruß ein Gegengruß u.a.
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“Kooperation bedeutet gemeinsame Orientierung an grundlegenden Ordnungsstrukturen, die eine wichtige Voraussetzung für das Zustandekommen und Gelingen der Kommunikation ist” (vgl. Kallmeyer 1996:28).
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Damit Kooperativität im Gespräch möglich wird, lösen die Interagierenden zwei wichtige Prozesse aus: das Zurückgreifen auf das bekannte Wissen und die Interpretation der Handlungen anderer mittels der Indexikalisierung im Verlauf des Diskurses. Formen oder Wege der Kooperation sind z.B. die Sprecherwechselorganisation, die Handlungskonstitution oder die Verständnissicherung. In konfliktarmen Gesprächen zwischen Sprechern der gleichen Sprachgemeinschaft wird der Einsatz dieser Prozesse nicht verbalisiert. Das heißt, nur wenn sie außer Kraft gesetzt werden, versprachlichen wir sie mit Äußerungen des Typs “lass mich doch ausreden” (Sprecherwechselorganisation), oder “worüber sprechen wir hier eigentlich?” (Handlungskonstitution) oder “verstehe ich dich richtig wenn...” (Veständnissicherung). Diese linguistischen Mittel setzen Interagierenden natürlich auch zu anderen Handlungszielen als zur reinen Gesprächsorganisation ein. Die Komplexität der Kommunikation ergibt sich nämlich insbesondere daraus, daß Kommunikation unvorhersehbar ist. Erst in der konkreten Interaktion wird Bedeutung konstituiert und erreichen Sprechakte ihre perlokutiven Effekte. Es gibt nicht den idealen Kontext für den idealen Sprechakt, den wir sozusagen automatisch einsetzen können, um den idealen perlokutiven Effekt zu erreichen.
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Obwohl man davon ausgehen kann, daß in der interkulturellen Kommunikation all das Gesagte Gültigkeit hat, ist das eine Kommunikation, die unter erschwerten Bedingungen geschieht. In der interkulturellen Kommunikation ergeben sich nämlich folgende Schwierigkeiten:
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1) |
Situation A: Die Sprecher sind sich nicht dessen bewusst, daß die Indexikalisierungsformen verschieden sein können. Dadurch können Missverständnisse und Interferenzen entstehen. Z.B. beim Sprecherwechsel, wenn eine Pause des Sprechers A als Abgabe des Rederechts falsch interpretiert wird. Dies geschieht oft in Gesprächen zwischen chinesischen Sprechern und Europäern im allgemein. |
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2) |
Situation B: Die Sprecher sind sich dessen bewusst, daß die Hinweise andere sein können. Es entsteht dann das von Ehlich als ‘Parodoxon der Kommunikation in der Fremdsprache’ genannte Phänomen: Um einen reibungslosen Verlauf der Kommunikaiton zu garantieren, müsste man Reziprozitätsdemonstrationen machen und die Formen der Kooperation aushandeln. Dies könnte aber zu Imageverletzungen führen. Besonders schwierig ist dies im Fall der Verständnissicherung. Bitte ich als MS um eine Sicherung des Verstandenen (Könnten Sie bitte wiederholen? oder Haben Sie mich verstanden?), könnte ich das Image des NMSs verletzen. Bitte ich als NMS darum, könnte ich eine Nebensequenz erzwingen, die uns vom Thema wegbringt usw. Also, tut man oft so, als hätte man sich verstanden und man redet nebeneinander her, was auch Ursache für Interferenzen sein kann. |
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Deswegen interessieren mich hier vor allem die Formen der Kooperation und der ausdrücklichen Reziprozitätsdemonstration, die in meinen Daten ein kooperatives sprachliches Handeln besonders zu fördern scheinen. Und zwar konzentriere ich mich auf Beispiele, in denen der NMS sie initiiert. Zu bedenken ist stets, daß bedingt durch die Anweisungen die Interagierenden sich besonders um ein kooperatives Handeln bemühen werden. Somit ist davon auszugehen, daß in meinen Daten der wichtige Faktor “Macht” weitestgehend ausgeschaltet ist.
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3. Beispielanalyse
3.1 Handlungskonstitution
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Ma: Martínez, Spanier (Verkäufer)
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Ha: Hahn, Deutscher (Einkäufer) |
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Ma: ja gut- also soll ich meinen Preis jetzt dir lesen- oder durchlesen oder -*
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Ha: ja das wäre sehr nett, |
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Ma: ja ja also * ich werde/
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Ha : oder sagn wir- |
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Ma: ich will jetzt keine Argumente zu Deinem/su sein/ Ihrem Preis geben sondern ich will nur einfach lesen was wir gedacht habn, * also für das Sofas-* haben wir ein Preis/ eine eine Preis/einen Preis F’ gedacht
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Ha: mhm |
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Ma: für das Regal ein Preis G -
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Ha: mhm |
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Ma: und für die Stühle
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(...) |
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Es handelt sich hier um einen Ausschnitt aus dem Verkaufsgespräch. Zunächst hatte Hahn nach einer Aufforderung von Martínez dazu seine Preiswünsche erläutert und nun wird eine Reaktion von Martínez erwartet. Dieser klärt aber zunächst ab, wie das Handlungsziel “Verkaufsgespräch führen” weitergehen soll. Er antizipiert seinem Gesprächspartner, daß er zunächst den Schritt “Preise angeben” vollziehen wird und erst dann auf den Vorschlag vom Einkäufer eingehen wird. Dadurch stellt er klar, wo beide sich im Rahmen des erwartbaren Ablaufs des Aktivitätenkomplexes befinden. Zugegeben, die sprachliche Formulierung zeigt Defizite auf, sie könnte und müsste sicherlich verbessert werden, aber für den weiteren Verlauf des Gesprächs ergibt sich als positive Haltung diese Vorabklärung der Handlungsschritte. Dadurch wird eine gemeinsame Wissensbasis innerhalb der konkreten Interaktion hergestellt, die positive Auswirkungen auf die Kooperativität hat.
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3.2. Reziprozitätsdemonstration
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Ma: Martínez, Spanier (Verkäufer)
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Ha: Hahn, Deutscher (Einkäufer) |
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Ha: j:a* (atmet tief aus) gu:t* Sie sehen schon daß wir da etwas (lacht kurz) auseinanderfallen |
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Ma: ja ja das ist klar, das konnte ich auch mich vorher vorstellen also
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Ha: (lacht kurz) |
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Ma: das ist schon klar, okay mal sehen* also ich ich ich sehe hier
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(...) |
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Mit Reziprozitätsdemonstration ist gemeint, daß man sich auf die Erlebnisperspektive des Partners bezieht. Kallmeyer stellt fest, daß sie in der Regel in der Normalisierungsphase von Konflikten vorkommen. Der Ausschnitt aus dem obigen Beispiel schließt sich dem ersten Austausch von Preisen an. Der Konflikt, der dort deutlich wird, macht eine explizite Demonstration von der Bereitschaft zur weiteren Interaktion, trotz der scheinbar unvereinbaren Positionen, nötig. Hier wird diese Demonstration vom MS initiiert und vom NMS vervollständigt. Dadurch wird klar gestellt, daß noch etwas ausgehandelt werden muß, aber gleichzeitig (in diesem Zusammenhang ist das kurze Lachen von Hahn wichtig) demonstrieren beide, daß sie zur Kooperation bereit sind. Das wird auch durch die beiden “also” von Martínez bestärkt.
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3.3. Verständnissicherung
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Ma: Martínez, Spanier (Verkäufer)
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Ha: Hahn, Deutscher (Einkäufer) |
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Ha: J:a-** e:hm also:-* uns wäre grade in Bezug auf die Stühle daran gelegen daß wir-* da etwas: vorwärts kommen würdn also: wir hättn uns da in etwa also (h) maxima:l- also ein C: könnten wir uns noch vor-stellen dafür im Gegenzug denke=ich- könntn wir bei den Sofas dann sogar noch-*etwas unter Ihr Angebot gehen wenn wenn Ihnen das entgegenkäme- (h) das wir uns hier etwas ausgleichn- (h) sagn wir Sie habn eben bei |
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Sofas gesagt-* ein F'* und daß wir dort sa:gn bei den Sofas-*akzeptieren wir-* ein G:-* und dafür gehen wir bei den Stühlen (ls) noch einmal eine Position nach obn- |
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Ma: (sn) also können Sie bitte wiederholen' also Sie haben ein G: für für Sofas akzeptiert'+* Sie würden ein
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Ha: also- ehm: |
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Ma: G:-* wenn wir ein: ja' jaja, ein G: akzeptieren-
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Ha: Sie haben das F angebotn-* wir wollten das D:-* ehm: mir ist es |
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Nach diesem langen Beitrag von Hahn, der für Martínez wahrscheinlich sowohl inhaltlich wie sprachlich schwer zu folgen war, bittet er mit einer üblichen Formel um Verständnissicherung. Dies führt zu einer weiteren Explizierung des Sachverhalts auf Seite von Hahn, wodurch die Bedingungen für die gemeinsame Interaktion geklärt werden und der weitere Verlauf reibungslos ist. Eine Bitte um Verständnissicherung hat somit nicht zwangsläufig eine Störung des Gesprächsverlaufs zur Folge. Es ist allerdings wichtig, daß sie keine Unterbrechung des Sprechrhythmus darstellt und in der Form einer formelhaften Wendung geäußert wird. Routineformeln tragen nämlich ebenfalls zur Demonstration von einer gemeinsamen Wissensbasis und zur Beziehungsregulierung bei (vgl. Keim 1997).
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3.4. Einsatz von negativer Imagepflege
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S= Sandra, Katalanin
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A = Anne, Deutsche |
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S: Mittwoch nachmittag/was wäre um vier Uhr zum Beispiel’ wäre das gut für dich |
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A: nachmittag um 16.00Uhr ja 16.00Uhr wäre gut
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S: ja für mich auch. dann wäre es gut auch (...) |
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Negative Imagepflege (negative politeness) kann als Abschwächung für zu realisierende oder realisierte Imagebedrohungen eingesetzt werden (Schmelz 1994). Eine mögliche Strategie dafür ist die Verwendung des Konjunktivs. Im obigen Beispiel lässt die NMS der Gesprächspartnerin mehr Freiraum für ihre Entscheidung und respektiert so ihr Recht darauf, nicht unter Druck gesetzt zu werden. Der Aufwand, der für die Gesprächspartnerin ein Eingehen auf den Wunsch der Sprecherin einzugehen bedeutet, wird dadurch minimalisiert.
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3.5. Wiederholungen
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M= Marta, Katalanin
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B = Birgitt, Deutsche |
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B: : ja :* okay, also bereiten wir das zu Hause vor * jetzt
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M: dann am Montag morgen -* treffen wir uns * und wir-* |
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B: Montag morgen müssen wir telefonieren- |
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M:ah ja, ja ja |
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B: ich komme ja erst abends |
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M: ah du kommst am Abend - (mit überraschtem/enttäuschtem Unterton) |
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B:. ich weiß noch nicht ich muß mit meinen Eltern sprechen ob ich früher fahren kann aber Familienfest |
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Wiederholungen haben vielfache Funktionen in der Interaktion. Eine ihrer Funktionen ist das Signalisieren von Feedback, wodurch die gemeinsam geteilten Bedingungen von der Interaktion ratifiziert werden. Hier efolgt diese Ratifizierung nach einer Fremdkorrektur von Birgitt, so daß Marta durch die Wiederholung eine Normalisierung der Kooperativität erzielt. Sie erreicht darüber hinaus, daß Birgitt eine mögliche Lösung für den Interessenkonflikt aufzeigt.
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3.6. Reformulierungen
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S= Sandra, Katalanin
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A = Anne, Deutsche |
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A: gut dann würde ich sagen wir treffen uns am Freitag nachmittag
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S: am Freitag nachmittags ich habe/weil ich arbeite am Freitag es ist die einzige Tage, wann ich arbeite |
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A: wann hast du denn Zeit diese Woche? |
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S: es wäre besser, wenn ich am Mittwoch oder/ entweder Mittwoch oder Montag, daß wir am Montag oder Mittwoch treffen könnten |
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A: dann würde ich sagen Mittwoch |
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Durch Reformulierungen können mögliche Störungsquellen für die Kommunikation behoben werden. Im obigen Beispiel enthält die Reformulierung desweiteren eine Selbstkorrektur, da Sandra ihren “wenn ich” durch “daß wir” ersetzt. Außerdem ändert sie die Reihenfolge der Tage, so daß sie chronologisch in der richtigen Reihenfolge stehen. Ihr Terminvorschlag ist dadurch ganz eindeutig.
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Aus lernersprachlicher Perspektive sind Reformulierungen besonders wichtig, da sie eine üblicherweise als Schwäche bezeichnete Formulierungsunsicherheit aus der Perspektive des Handlungsziels ‘Verständigung’ positiv umbewerten können. Natürlich würde eine Reformulierung nur dann zu einer besseren Verständigung führen, wenn sie dazu beiträgt, den Inhalt der Proposition für den Interaktionspartner deutlicher zu formulieren. Daß im obigen Beispiel die NMS dies erreicht, wird an der Reaktion der MS ersichtlich, da sie erwartungsgemäß einen der beiden vorgeschlagenen alternativen Termine wählt.
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3.7. Interaktive Formulierung
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M= Marta, Katalanin
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B = Birgitt, Deutsche |
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B: ansonsten ehm* Telefon’ *ich weiß nicht-
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M: ja:- wir könnten es allein vorbereiten |
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B: ja- |
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M: zusammen* |
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B: am Telefon besprechen [und |
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M: aha] |
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Die gemeinsame Formulierung ist einer der Momente in der Interaktion, der einen hohen Grad an Kooperativität aufzeigt. Sie setzt voraus, daß der Sprechrythmus koordiniert wird, daß der Sprecherwechsel reibungslos abläuft und daß beide Gesprächspartner zusammen Bedeutung konstituieren. Die Arbeitsweise “zusammen am Telefon besprechen” wird hier von Marta und Birgitt gemeinsam formuliert. Die kurze Pause nach “zusammen” nutzt Birgitt für die Übernahme des Rederechtes und sie verbalisiert erneut ihren Vorschlag “am Telefon besprechen”. Ehe sie fertig ist, bestätigt Marta (“aha”), daß diese Vervollständigung ihres angefangenen Beitrags (“zusammen”) in ihrem Sinne ist. Der weitere Verlauf der Interaktion zeigt, daß der Konflikt ‘keinen gemeinamen Termin finden’ durch den Vorschlag ‘Besprechung am Telefon’ gelöst wird.
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Ein Grenzfall der interaktiven Formulierung ist Beispiel 7b:
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Ma: ich freue mich daß langsam erreichen wir ein so ein * hm hm gut
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Ha: ja: jetzt noch |
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Ma: so wir müssen jetzt no:ch |
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Ha: zu den Regal[wänden |
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Ma: nur ..] über die/ |
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Ha: &die sind noch offen |
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Ma: ja ja also mhm |
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Ha: also |
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(...) |
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Ein Grenzfall insofern als es sich hier eine kurze Überlappung beim Sprecherwechsel ergibt. Martínez übernimmt eher eine Echo-Funktion mit seinen Beiträgen, wodurch er Feedback gibt, und es sind beide diejenigen, die deutlich verbalisieren, wie der thematische Verlauf des Gesprächs weitergehen soll. Diese Stelle ist besonders interessant, weil sich in vielen analysierten Gesprächen zwischen spanischen und deutschen Interaktionspartnern häufig Interferenzen beim Sprecherwechsel ergeben. Hier aber führt die Übernahme des Rederechtes durch Martínez nicht zu einer Turbulenz im Gespräch, sondern im Gegenteil, sie fördert die Kooperativität.
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3.8. Bewertungen und Kommentare
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M= Marta, Katalanin
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B = Birgitt, Deutsche |
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B: gu:t eh wann hast du denn Zeit‘
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S: ah heute habe ich Zeit und morgen auch und am Wochenende auch aber nächste Woche nicht, |
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B: oh- |
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S: weil ich Prüfungen-* zwei Prüfungen habe, |
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B: das ist schlecht, |
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S: warum‘ |
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B:wir haben ein Familienfest am Wochenende- |
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S: oh nein- |
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B: und ich muss heute fahren und ich werde erst Montag abend zurück sein- |
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S: oh nein das ist Pech- |
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B: jaa |
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S: also du kannst nicht‘ wie wär‘s heute abend‘ |
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Dieses Beispiel braucht kaum besprochen zu werden. Durch die Bewertung oder Kommentierung, in diesem Fall handelt es sich um ein Komentar zum Inhalt des Beitrags, denkbar sind natürlich auch metadiskursive Kommentare, wird interaktiv Bedeutung konstituiert: es ist nicht gut für das Erreichen des Handlungsziels, daß B keine Zeit hat.
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4. Zusammenfassung und Berücksichtigung im Bereich DaF
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Die Analyse der vorhandenen Daten hat gezeigt, daß die Interagierenden sich verschiedener Mechanismen bedienen, um Verständigung zu erzielen. Konkret ließen sich hier die folgenden Möglichkeiten belegen:
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interaktive Handlungskonstitution
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Reziprozitätsdemonstrationen
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Verständnissicherung
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Einsatz von negativer Imagepflege
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Wiederholungen
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Reformulierungen
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interaktive Formulierung
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Einsatz von Bewertungen und Kommentaren
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Dadurch wird erreicht, daß trotz der lernersprachlichen Defizite der Nichtmuttesprachlerinnen und der Unterschiede in der Diskursstruktur in spanischen und in deutschen Verhandlungsgesprächen (vgl. Keim 1994) in den hier analysierten Daten beide Partner jeweils ihre Ziele ohne große Turbulenzen verfolgen können.
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Mit Blick auf den Fremdsprachenunterricht können wir folgende Schlüsse ziehen:
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Im Unterricht soll authentische Interaktion gefördert werden, so daß die Lernenden in die Lage versetzt werden, sich untereinander zu verständigen. Nur wenn tatsächlich kommuniziert wird, sind wir darauf angewiesen, unseren Interaktionspartner zu verstehen.
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Es trägt zur Verständigung bei, daß die Handlungsziele des Gesprächs geklärt werden. Dies führt uns erneut auf die authentische Interaktion zurück. Kommunikation geschieht nur dann, wenn Handlungsziele verfolgt werden. Oftmals ist das Handlungsziel der Gespräche der Lernenden, den Dozenten zu zeigen, daß man die Redemittel kann oder Ähnliches. Von daher interagieren in dem Moment die TN nicht untereinander sondern mit den Dozenten. Es ist also wichtig, daß die Lernenden sich ihrer Handlungsziele klar werden.
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Es ist entscheidend Verständnissicherungsstrategien zu entwickeln, so daß eine Bitte um Verständnis oder Wiederholung nicht zwangsläufig zu dem “Parodoxon der Kommunikation in der Fremdsprache” führt.
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Verfahren, die eigentlich oft automatisch eingesetzt werden, wie Wiederholungen, Reformulierungen, interaktive Vervollständigung sollen nicht unterdrückt, sondern ganz im Gegenteil gefördert werden. Gemeint ist hiermit, daß die Lernenden das kommunikative Potential dieser Verfahren mit Hilfe von entsprechenden Aufgaben als kommunikative Strategie einzusetzen lernen. Ein Weg dazu wäre, im Unterricht mit Transkriptionen von Gesprächen zu arbeiten (vgl. Reuter 1995).
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5. Literaturhinweise
BOURDIEU, Pierre. 1985. ¿Qué significa hablar?. Madrid: Akal (=Bourdieu 1985).
DAUSENDSCHÖN-GAY, Ulrich, und Ulrich KRAFFT. 1991. “Tache conversationelle et organisation du discurs”. In: Ulrich Dausendschön-Gay, und Ulrich Krafft (Hgg.). Linguistische Interaktionsanalysen. Tübingen: Niemeyer, S. 131-153. (=Dausendschön-Gay/Krafft 1991).
KALLMEYER, Werner, und Reinhold SCHMITT. 1996. “Forcieren oder: Die verschärfte Gangart. Zur Analyse von Kooperationsformen im Gespräch”. In: Werner Kallmeyer (Hg.). Rhetorische Verfahren im Gesprächsprozeß. Tübingen: Narr, S. 19-118 (=Kallmeyer/Schmitt 1996).
KEIM, Inken. 1997. “Formelhaftes Sprechen als konstitutives Merkmal sozialen Stils”. In: Margret Selting, und Barbara Sandig. Sprech- und Gesprächsstile. Berlin/New York: de Gruyter, S. (=Keim 1997).
KEIM, Lucrecia. 1994. Interkulturelle Interferenzen in der deutsch-spanischen Wirtschaftskommunikation. Frankfurt a.M.:Lang. (=Keim 1994).
KNAPP-POTTHOFF, Annelie, und Martina LIEDKE (Hgg.). 1997. Aspekte interkultureller Kommunikationsfähigkeit. München: Iudicium (=Knapp-Potthoff/Liedke 1997).
OCHS, Elinor. 1996. “Linguistic resources for socializing humanity”. In: John Gumperz, und Stephen Levinson. Rethinking linguistic relativity. Cambridge: Cambridge University Press, S. 407-437. (=Ochs 1996).
REUTER, Ewald. 1995. “Fremdsprachliches Textverstehen - gesprächsanalytisch betrachtet”. In: Ewald Reuter (Hg.). Fremdsprachliches Textverstehen. Jyväskylä: University of Jyväskylä, S. (=Reuter 1995).
SÁNCHEZ MACARRO, Antonia, und Vicent SALVADOR LIEN, und Josep Ramon GÓMEZ MOLINA. 1998. Pragmàtica intercultural. València: Universitat de València (Quaderns de Filologia: Estudis Lingüístics IV). (=Sánchez/Salvador/Gómez 1998).
Schmale, Günter. 1987. “Reziprozität als Grundlage kooperativen Handelns in Kontaktsituationen zwischen deutschen und französischen Sprechern”. In: Frank Liedtke, und Rudi Keller (Hgg.). Kommunikation und Kooperation. Tübingen: Niemeyer, S. 219-242. (=Schmale 1987).
Schmelz, Matthias. 1994. Psychologie der Höflichkeit. Frankfurt a.M.: Lang. (=Schmelz 1994).
Schmelz, Matthias. 1998. “Auffordern als Phänomen dialogischer Interaktion.” In: Svetla Cmejrkova, et al (Hg). Dialoganalyse VI.Referate der 6. Arbeitstagung Prag 1996 (Teil 2). Tübingen: Niemeyer, S. 339-344. (=Schmelz 1998).
Tiittula, Liisa. 1999. “Euro: Pro und contra. Finnische und deutsche Argumentationsstile am Beispiel von Fernsehdiskussionen”. In: Rolf Ehnert (Hg.). Wirtschaftskommunikation kontrastiv. Frankfurt a.M.: Lang, S. 63-92. (=Tiittula 1999).
Wolff, Dieter. 1996. “Kognitionspsychologische Grundlagen neuer Ansätze in der Fremdsprachendidaktik.” In: InfoDaF 23/5, S. 541-560 (=Wolff 1996).
Van Lier, Leo. 1996. Interaction in the Language Curriculum. London/New York: Longman. (=Van Lier 1996).
Yanoshevsky-Eyal, Galia. 1998. “Intercultural Dialogue:Reconstructing a Common Basis”. In: Svetla Cmejrkova, et al. (Hg). Dialoganalyse VI.Referate der 6. Arbeitstagung Prag 1996 (Teil 2). Tübingen: Niemeyer, S. 260-267 (=Yanoshevsky-Eyal 1998).
Anhang:
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* |
kurze Pause
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** |
mittlere Pause |
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/ |
Wort- und Konstruktionsabbruch |
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[ ] |
simultan gesprochene Sequenzen |
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ja’ |
Intonation steigend |
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ja- |
Intonation schwebend |
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ja, |
Intonation fallend |
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|
ja |
auffällige Betonung |
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ja: |
auffällige Dehnung |
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= |
Verschleifung, z.B. und=äh |
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(...) |
Auslassung |
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ja |
Hervorhebung der Stellen, auf die in der Analyse ganz besonders Bezug genommen wird |
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