Das Fach «Übersetzung» im Germanistikstudium. Schwerpunkte, Probleme, Chancen
BARBARA HEINSCH HEBBEN
ESCUELA UNIVERSITARIA DE TURISMO «ALTAMIRA»
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Den folgenden Überlegungen und Ausführungen liegen einerseits meine mehrjährige Lehrtätigkeit im Fach “Übersetzung” in der Germanistik an der Universität Valladolid, andererseits meine Arbeiten zum Bereich “Übersetzen und Dolmetschen” zugrunde. Es handelt sich hierbei um Tätigkeitsfelder, die sich überschneiden, aber nicht deckungsgleich sind, wobei die Gefahr oder die Versuchung gegeben ist, aus beiden eine Art “Mischkultur” entstehen zu lassen. Meine Erfahrung hat aber gezeigt, dass diese Nähe auch eine große Bereicherung darstellt, will man die Herausforderung annehmen, über den Schatten eines kleinkarierten Expertentums zu springen. Ich möchte an dieser Stelle ganz bewusst festhalten, dass ich hier ein Thema zur Diskussion stelle, Anregungen und Tatsachen einbringe, zu denen die Meinungen möglicherweise auseinandergehen, und dass ich nicht etwa eine Theorie aufsetze. Ganz im Gegenteil, es wird sich um einen Open-end-Beitrag handeln. Nichtsdestoweniger vertrete ich die Überzeugung, dass man die Übersetzung im Germanistikstudium nicht nur flexibel und pragmatisch gestalten, sondern auch einen Arbeitsbereich schaffen kann, dem nicht nur eine ergänzende Funktion zukommt, sprich Sprachkenntnisse festigen und vertiefen. Im Folgenden werde ich nun Sinn, Zielsetzungen, praktische Gestaltungsmöglichkeiten und Ausrichtung des Fachs “Übersetzung” in der spanischen Germanistik besprechen. Dabei werde ich auch kurz auf die Ergebnisse einer an Hochschuldozenten sowohl der Germanistik als auch des Studiengangs “Übersetzen und Dolmetschen” gerichteten Umfrage zu diesem Thema eingehen. |
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2. |
Überlegungen zur Sinnfrage des Fachs |
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Im vorliegenden Rahmen liegt es auf der Hand, von einer pädagogischen Übersetzung zu sprechen, und zwar insofern, als es bei unserer Übersetzung nicht um das sprachliche Produkt geht, das zwei verschiedene Sprachgemeinschaften zueinander in Beziehung setzt, sondern um den translatorischen Prozess an sich. Es handelt sich also um eine Übung, und dieser Akt ist rein pädagogischer Natur. In diesem Sinne wäre auch die Übersetzung im Studiengang “Übersetzen und Dolmetschen” eine pädagogische, da ja auch hier Fertigkeiten erlangt und geübt werden sollen und deren Resultate normalerweise weder auf dem Markt erscheinen noch an ein irgendein Publikum gerichtet werden. Es geht also um ein Training, um die Simulation einer zukünftigen Berufserfahrung. Einen interessanten Ausnahmefall stellt jedoch eine Gruppe von Studenten der Universität Salamanca dar. Sie kursierte das Fach “Técnicas de Traducción” im vierten Studienjahr und wurde damit beauftragt, ein Kinder- und ein Jugendbuch vom Deutschen ins Spanische zu übertragen. Sie wurde dabei von zwei Hochschuldozenten der Fakultät “Traducción y Documentación” betreut. Dieses innerhalb der “prácticas de campo” von der Universität subventionierte Experiment war nicht nur ein Übungsprojekt, sondern gleichzeitig ein Übersetzungsauftrag des Verlags Anaya, der die Werke anschließend, d.h. im November 1998 veröffentlichte¹.
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Besteht das Kriterium für die pädagogische Übersetzung aber darin – so wie von manchen Forschern vertreten wird (vgl. Ortega/Echeverría 1996:34-36, 39) -, dass diese ein Teil des Fremdsprachenunterrichts sein soll mit dem einzigen Ziel, Sprachkenntnisse zu erwerben und zu vertiefen - so wie es oftmals in der Sekundärstufe der Fall ist und wo dann auch meist in die Muttersprache übersetzt wird – ohne weiter auf außersprachliche Faktoren oder Techniken einzugehen, dann stellt sich die Frage, ob die Übersetzung in der Germanistik nicht eine “Mischposition” einnimmt, denn folgende Strategien, die demnach ausgeschlossen sein müssten, sind u.a. in die Übersetzungskurse insbesondere des Hauptstudiums unbedingt mit einzubeziehen:
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Vermeidung von Wort-für-Wort-Übersetzungen und Bestehen auf mehreren Übersetzungsmöglichkeiten.
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Betrachtung der Gesamtheit des Textes (meist ein Artikel aus der Presse) und seine Einbettung in kulturelle und geschichtliche Hintergründe.
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Vermittlung biographischer Daten des Autors, wenn es sich um literarische Übersetzungen handelt.
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Berücksichtigung des heute so aktuellen Phänomens der Interkulturalität.
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Wie dem auch sei, eine endgültige Definition des Begriffs “pädagogische Übersetzung” ist in unserem Kontext Nebensache. Wichtig ist doch die Frage, was nun mit der Übersetzung im Germanistikstudium bezweckt werden soll.
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In meiner oben erwähnten Umfrage musste ich zunächst einmal feststellen, dass längst nicht an allen spanischen Universitäten das Fach “Übersetzung” unterrichtet wird. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Kollegen der Universität Zaragoza, der Complutense und Autónoma in Madrid bedanken, die es nicht unterlassen haben, mir diese auch sehr wichtige Information, eben die Nicht-Existenz des Fachs in der Germanistik ihrer Hochschule, zukommen zu lassen.
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Zu der Frage “¿Consideras la ‘Traducción como una oportunidad para la Filología Alemana? ¿Por qué sí/no?” möchte ich hier folgende repräsentative Antworten zitieren:
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“Creo que es una asignatura que debe estar presente en los Planes de Estudio de Filología Alemana en dos o tres cursos. Considero que es un excelente ejercicio que sirve para afianzar los conocimientos de alemán, enseñar a reflexionar al alumno tanto sobre su propia lengua como sobre la que está aprendiendo y mejorar el conocimiento en su propia lengua.” (Germanistin).
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“Creo que hoy por hoy la traducción se considera como una disciplina aparte. La filología (da igual que sea alemana, francesa o italiana) es un campo muy diferente.” (Germanistin).
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“No. Hay que diferenciar entre la ‘Traducción’ como ejercicio meramente lingüístico que se utiliza para aprender la lengua en Filología Alemana, y la didáctica de la traducción profesional que es objeto en los estudios de Traducción e Interpretación.” (Übersetzungswissenschaftlerin).
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“No la considero una oportunidad para el conjunto de la carrera. Sirve, en primer lugar, para evaluar la capacidad de los alumnos de moverse en la lengua meta. Lo que sí fomenta es la reflexión contrastiva, tanto en relación con las estructuras como en relación con la cultura y la psicología (diferentes expectativas ante un determinado tipo de textos). Además, aunque no sea fundamental para la filología, enseña a los alumnos un oficio, el de traductor, que es una salida posible incluso para filólogos, ya que no creo que los buenos traductores provengan todos de las facultades de traducción, ni creo que un buen traductólogo sea un buen traductor (ni mucho menos).” (Germanistin).
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Im Allgemeinen wird der Sinn oder die Nützlichkeit des Fachs “Übersetzung” für das Germanistikstudium nicht angezweifelt. Es muss aber konkreten Zielvorstellungen angepasst werden, die der Situation der Germanistik und den Möglichkeiten der Studenten gerecht werden, gleichzeitig aber eine gewisse Herausforderung darstellen. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich noch etwas näher die “Verwandtschaft” zu den Übersetzerstudiengängen ableuchten, zumal die Studienordnung der Universität Valladolid für die Fächer “Traducción I” und “Traducción II” – beide Pflichtfächer im Hauptstudium – sowohl auf die Germanistik als auch auf “Übersetzen und Dolmetschen” als die zuständigen Fachbereiche verweist (vgl. BOE 1998:22523). Eine gewisse Rivalität zwischen beiden ist nicht von vorneherein auszuschließen, wenn die “Übersetzung” in der Germanistik ernst genug genommen wird.
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3. |
“Übersetzung” im Germanistikstudium versus “Übersetzung” in “Traducción e interpretación”? |
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Kann es aber so weit kommen, dass angehende Germanisten den angehenden Übersetzern “gefährlich” werden können, wo doch rein praktisch gesehen der Übersetzung viel zu wenig Kreditpunkte eingeräumt werden, geschweige denn an allen spanischen Universitäten das Fach überhaupt unterrichtet wird? Allerdings weisen auch die Dozenten der Übersetzerstudiengänge auf den Mangel an Unterrichtseinheiten für die C-Sprache, in unserem Falle Deutsch, hin, wo die meisten Studenten keinerlei oder nur wenige Vorkenntnisse besitzen (vgl. Collados/Sánchez-Adam/Seibel 1999:31-41; Prüfer 1999:276, 285). Auch die genannte Umfrage hat fast einstimmig ergeben, dass das größte Problem in beiden Fachrichtungen darin besteht, dass die Studenten nur über ein mangelndes Sprachniveau verfügen. In dieser Hinsicht ist auch der Student der “Traducción Inversa” im Übersetzerstudiengang als ein “híbrido” bezeichnet worden:
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El estudiante de traducción inversa ha de ser considerado un “híbrido” entre el estudiante de lenguas extranjeras, por una parte, y el estudiante de traducción, por otra. Como estudiante de lenguas, porque ha tenido que consolidar sus conocimientos de la lengua extranjera antes de ingresar en la Facultad, y tiene que ampliarlos durante su formación; pero es también estudiante de traducción, ya que tiene que superar una formación teórica y práctica de cuatro años antes de poder ser considerado un traductor profesional con una competencia formada (Roiss 1999:295). |
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So ist es nicht verwunderlich, wenn sich die Tendenz einschleicht, die Übersetzung in die zweite Fremdsprache als eine sprachliche Vertiefungsübung zu benutzen (vgl. z.B. Sánchez Nieto 1999:304). Schließlich soll am Ende des Studiums ein dem der B-Sprachen ähnliches Niveau erreicht worden sein. Auch bei einem Germanisten wird von einem zumindest akzeptablen Sprachniveau ausgegangen, und es wird sogar immer wünschenswerter, dass er Aufenthalte im deutschsprachigen Ausland vorzuweisen hat. Nun ist dies nicht automatisch gleichbedeutend mit übersetzerischen Qualitäten. Aber solche erlangt man ja nicht nur durch eine theoretische Ausbildung, sondern auch mit viel Praxis, auf die auch in “Traducción e Interpretación” keineswegs verzichtet werden kann. Die Vorstellung, dass es zu Interessenkonflikten zwischen Germanisten und Übersetzern kommen kann, wie schon in einem der oben angeführten Zitate der Umfrage angedeutet wurde, liegt auch den Übersetzungswissenschaftlern nicht fern. Pilar Estelrich, Dekanin des Fachbereichs “Traducció i Interpretació” der Universität Pompeu Fabra, Barcelona, schrieb mir dazu folgendes:
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A mí me parece que se puede llegar a traducir por muchas vías, y que si bien los centros que imparten la titulación deben ofrecer una formación rigurosa y exigente, no pueden ni deben aspirar al monopolio de este ámbito laboral. En el marco de una universidad cada vez más competitiva pueden darse conflictos de intereses entre titulaciones clásicas como la filología que desean ampliar su oferta hacia actividades del ámbito profesional y titulaciones de nuevo cuño como Traducción e Interpretación que puedan considerar esa estrategia como una ingerencia lesiva. Pero eso me parece inevitable y quizá positivo a largo plazo². |
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Dadurch, dass das Berufsfeld des zukünftigen Übersetzers zunächst einmal eingegrenzter, “greifbarer” scheint als das des Philologen, kann auch die Vorbereitung darauf konkreter abgesteckt werden. Dazu ein originelles Beispiel: An der Universität Alicante wurden für das Übersetzungsmodul als Textsorte Immobilienanzeigen ausgewählt, weil im Tourismusgebiet Alicante derzeit eine starke Bautätigkeit im Gange ist, die bei den Touristen besonders aus Nordeuropa, wo überwiegend schlechtes Wetter herrscht, auf große Nachfrage stößt - nicht zuletzt auch auf Grund des Euros - und in Zukunft solche Texte in die Sprachen dieser Touristen, die oft auch zu Anwohnern werden, übersetzt werden müssen (vgl. Prüfer 1999:283). |
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Auch in der Germanistik ist es ratsam, gründlicher über zukünftige Berufsfelder nachzudenken und dementsprechend bestimmte Fächer zu gestalten, insbesondere eben die Übersetzung. Im folgenden Abschnitt soll es nun darum gehen, welche konkreten Ziele für das Fach gesetzt werden können. |
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4. |
Mögliche Zielsetzungen des Fachs innerhalb der Germanistik |
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Bei der Festlegung der Zielsetzungen spielt das Sprachniveau der Studenten eine entscheidende Rolle, d.h. es muss berücksichtigt werden, ob sie sich im Grund- oder Hauptstudium befinden, und wie viele Übersetzungskurse sie belegen können. Hinzu kommt die Frage, in welche Sprache zu übersetzen ist, wenn die Studienordnung diesen Aspekt nicht sowieso schon festlegt. Dadurch, dass im Grundstudium der Erwerb der grammatischen Strukturen noch in vollem Gange ist, muss die Übersetzungsübung mehr oder weniger auf die schon erworbenen beschränkt bleiben. Wäre es dann angebrachter, einfacher für den Dozenten oder weniger frustrierend für die Studenten, in die Muttersprache zu übersetzen? Diese Überlegung ist absolut nicht von der Hand zu weisen, zumal man den Lernern dann Texte mit einem etwas höherem Sprachniveau zumuten könnte, ohne sie allerdings zu überfordern. Der Vorteil bestände darin, dass sie frühzeitig beginnen, sich mit authentischen Texten in deutscher Sprache – denn die sollen es auf jeden Fall sein – vertraut zu machen, so dass einerseits auch ein automatischer, d.h. unbewusster Lernprozess so früh wie möglich einsetzen kann, andererseits sie sich von Anfang an daran gewöhnen, solche Situationen zu handhaben, da sie später in der Berufspraxis, wenn überhaupt, meist ins Spanische übersetzen werden. |
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Soll im Grundstudium aber ins Deutsche übersetzt werden, wird es sinnvoller sein, das Fach mit dem Fach “Lengua” gleichzuschalten, obwohl der Dozent dann an den Rhythmus des letzteren gebunden ist. Er kann die dort behandelten grammatischen Themen systematisch in Übersetzungsübungen “verpacken”. Der Nachteil besteht allerdings darin, dass es schwieriger ist, authentische Texte zu finden, denn mit Kinder- und Jugendbüchern ist nicht geholfen, da dort schon zu viele Strukturen vorkommen, die dem Lerner im Anfängerstadium noch fremd sind. Das bedeutet aber nicht, dass nicht einfache Möglichkeiten bestehen, dem Studenten Funktionen der zu erwerbenden Sprache und Kultur näher zu bringen. Dazu ein Beispiel: Der Student soll folgenden Mini-Dialog ins Deutsche übertragen: “¿Qué tal está usted? – Muy bien, gracias.” Hier kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die erste hat mich selbst überrascht, als ich bei Gabriele Becher las: “De acuerdo con las estructuras lingüísticas españolas, contestará a la pregunta en alemán Wie geht es Ihnen? Con: Gut, danke! Se le corregirá explicando que un alemán primero agradece la pregunta y la contesta después, y que por lo tanto la respuesta es: Danke, gut!” (Becher 1992:335). Die zweite stellt die Antwort “muy bien” dar. Es handelt sich um eine Aussage, die dem Spanier normalerweise leichter von den Lippen geht als einfach nur “bien”; ganz anders der Deutsche: Mit “gut” ist schon alles Positive ausgesagt. “Sehr gut” in diesem Zusammenhang wird erstens gar nicht benutzt, und zweitens würde es eher nach einer Note oder einem Qualitätsurteil klingen. Eine Steigerung müsste durch ein anderes Adjektiv ausgedrückt werden. “Muy bien” bedeutet also noch lange nicht “sehr gut”. |
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Egal in welche Sprache übersetzt wird, in beiden Fällen handelt es sich eher um eine rein pädagogische Übersetzung, um eine Heranführung an die deutsche Sprache, Kultur und Mentalität. Deshalb sollten Texte allgemeiner Art ausgewählt werden, denn der Germanistikstudent kann sich nicht so konkret spezialisieren wie der Student in “Traducción e Interpretación”. Hier sei noch einmal auf das Beispiel der Immobilienanzeigen verwiesen, die auf Grund ihrer neutralen Produktbeschreibung und ihres knappen Gehalts auch für den Anfängerunterricht geeignet sind (vgl. Prüfer 1999:285).
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Werden im Grundstudium bei der Übersetzung ins Deutsche die Fremdsprachenkenntnisse gezwungermaßen aktiviert, so ist dies im Hauptstudium noch mehr der Fall. Dies ist für die Studenten sowohl frustrierend als auch motivierend, weshalb es wichtig ist, einen Rahmen abzustecken, der beide Erlebnisse im Gleichgewicht hält. So wäre es ratsam, die pädagogische Übersetzung dahingehend auszuweiten, dass der Student lernt zu übersetzen, weil er die Sprache schon einigermaßen beherrscht und nicht umgekehrt, d.h. Spracherwerb durch Übersetzung, obwohl das “Nebenprodukt” dieser Tätigkeit immer die Sprachvertiefung ist. Leider sieht der Studienplan oft nicht genügend sprachpraktische Fächer vor, und der Student muss den Spracherwerb selbst vervollständigen. Es wäre viel damit gewonnen, könnte das Fach in mehrere aufgesplittert werden, so z.B. “Übersetzung Deutsch-Spanisch”, “Übersetzung Spanisch-Deutsch” oder auch “Fachsprachliche Übersetzung”. Wahlfächer wie “Expresión escrita” und “Expresión oral” können dahingehend entlasten, dass man sich in “Übersetzung” immer weniger auf die Sprache konzentriert, als mehr auf Übersetzungstechniken. Meist müssen Dozenten und Studenten aber mit einem oder zwei allgemeinen Übersetzungskursen auskommen. Wie kann man sie sinnvoll nutzen?
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Um die Sprachanwendung konkret zu kanalisieren, ist das Kriterium der allgemeinen Texte zwar weiterhin zweckmäßig, es ist aber nicht minder sinnvoll, in einigen Sitzungen auch spezifische Textsorten wie z.B. fachsprachliche Texte vorzustellen und zu bearbeiten, um das Spektrum zu erweitern und so der Frage des zukünftigen Berufsfeldes entgegenzukommen. Was kann ein Germanist später einmal übersetzen? Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass er in eine Gesellschaft entlassen wird, die einen immer höheren Grad an Parzellierung und demtensprechend viele Fachgebiete aufweist, weshalb es vorteilhaft ist, einen kleinen Einblick in verschiedene Bereiche zu gewinnen. Der Student wird lernen, dass er z.B. eine literarische Übersetzung ganz anders angehen muss als eine fachspezifische, und dass letztere viel objektiver gehandhabt werden kann, als es zunächst einmal scheint. |
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Dadurch, dass die in Eigenarbeit übersetzten Texte und besonders ihre Problemfälle alle z.T. sehr ausgiebig im Plenum besprochen werden, werden auch implizit Techniken oder Vorgehensweisen vermittelt, die es dem Studenten erlauben, sich ein Arbeitssystem anzueignen, so dass er für die weiteren Texte schon besser gerüstet ist. Zwar ist es angebracht, zu Beginn des Kurses einen theoretischen Überblick über die verschiedenen Tendenzen in der Übersetzungswissenschaft zu geben und auf ihren ideologischen Hintergrund hinzuweisen, aber in unserem Falle gilt mehr denn je: Übung macht den Meister, oder zumindest den Gesellen. |
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Diese Gedanken werde ich nun im folgenden Abschnitt an praktischen Beispielen aus meiner Arbeitserfahrung erläutern. |
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5. |
Praktische Gestaltungsmöglichkeiten |
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Auf die Frage “¿Qué metodología te parece la más adecuada?” wurde in meiner Umfrage sowohl von Germanisten als auch von Übersetzungswissenschaftlern meist die Praxis betont: Sprachvergleich, Bewusstmachung des Übersetzungsprozesses, Berücksichtigung kultureller Hintergründe und das Übersetzen möglichst vieler Texte. Wie kann dies nun im Einzelnen aussehen? |
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Von 1995 bis 1998 wurde an der Universität Valladolid im Grundstudium “Übersetzung I” als Wahlfach mit 6 Kreditpunkten angeboten, wobei nicht vorgegeben war, in welche Sprache übersetzt werden sollte. Ich entschied mich für Deutsch als die Zielsprache, da die Studenten aus dem ersten Studienjahr, die teilnahmen, dem Niveau ihres Kurses schon leicht voraus waren und mit denen aus dem zweiten Jahr eine fast homogene Gruppe bildeten (sonst wäre es natürlich schwieriger geworden). Zur Einführung stellte ich einfache Übersetzungsübungen, die streng nach grammatischen Themen gruppiert waren und meist auch keine zusammenhängenden Texte darstellten. Später wurden dann aber kleine, meist gekürzte oder angepasste Texte aus Presse und Literatur verwendet, in denen die besagten Themen vermischt und in einem konkreten Zusammenhang vorkamen und die es gleichzeitig erlaubten, den Wortschatz zu erweitern. Der Schwierigkeit, für unsere Zwecke geeignete authentische Texte zu finden, ging ich manchmal aus dem Weg, indem ich selbst welche verfasste. |
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In diesen Kursen bestanden gute Möglichkeiten, beide Sprachen in ihren grundlegenden Strukturen miteinander zu vergleichen. Auberdem wurden die Studenten herausgefordert, ihre noch nicht sehr gefestigten Deutschkenntnisse aktiv umzusetzen. Die Studenten von 1995/96 waren anfangs besonders “schockiert”, es waren aber auch diejenigen, die am Ende des Kurses staunten, wie viel sie wider Erwarten gelernt hatten. So plädierten sie dafür, dass das Fach obligatorischer Bestandteil des Studiums wurde. Dazu kam es später dann auch. |
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Etwas anders wurde im Hauptstudium verfahren. Von 1995 bis 1998 war “Übersetzung II” Wahlfach im Haupstudium, ebenfalls mit 6 Kreditpunkten. Auch hier legte ich als Zielsprache Deutsch fest und wählte authentische Texte allgemeiner Art hauptsächlich aus der Presse. Auch wenn hier die grammatischen Strukturen der deutschen Sprache vorausgesetzt wurden, blieb der Schwierigkeitsgrad auf ein Mittelstufen-Niveau beschränkt, da es keine weiterführenden Fächer mehr gab. |
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Dies änderte sich 1998, als “Übersetzung” im vierten und fünften Studienjahr obligatorisch wurde. Die neue Studienordnung gab jetzt offiziell Deutsch als Zielsprache vor, und die (authentischen) Texte sollten jeweils der Mittelstufe I bzw. II entprechen (vgl. BOE 1998:22523). Wir konnten uns im fünften Jahr also steigern. |
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Für beide Kurse galt grundsätzlich, dass die Texte zu Hause übersetzt und im Unterricht besprochen wurden. Im vierten Jahr gaben sie häufig Anlaß zu Diskussionen über den ausgangssprachlichen Text, der immer aus dem Bereich “Kultur” stammte. Obzwar Paralleltexte fehlten, brachten die Studenten aktiv ihr kulturelles Wissen zu den verschiedenen Themen ein, z.B. Regionalküche, Computerspiele, Fernsehprogramme, zu denen dann Analogien bzw. Diskrepanzen zu den deutschen Verhältnissen hergestellt wurden. Die sprachlichen Strukturen des Deutschen wurden im Allgemeinen noch nicht sehr gut beherrscht, die Studenten lernten aber, dass zu einer Übersetzung mehr als nur Sprache gehört, und zwar kulturelles Vorwissen, die Überlegung, an welches Publikum der Ausgangstext gerichtet war und an welches die Übersetzung geht - so z.B. bei “La farmacomanía, fiebre nacional”, übersetzt “Medikamentensucht: In Spanien eine nationale Seuche” (cf. Scherer 1993:77, 83, 87) - und mentalitätsbedingte Verhaltensweisen, die eine wörtliche Übersetzung quasi verbieten, so der berühmte Satz “He (ein anständiger englischer Vater) kissed his daughter on her mouth” (cf. García Yebra 1982:42). |
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Im fünften Jahr konzentrierten wir uns auf drei verschiedene Gebiete: allgemeine Presse, Wirtschaftstexte und neuere Literatur. Neben den Besprechungen in den Lehrveranstaltungen hatten die Studenten wöchentlich einen vollständigen Text zu übersetzen und mir zur Korrektur abzugeben, um der Devise “so viel Praxis wie möglich” gerecht zu werden. Dabei kristallierten sich die sprachlichen Hauptschwierigkeiten heraus: Partizipialkonstruktionen, Satzstellung, Komposita und korrekte Wortwahl. Die Studenten machten die Erfahrung, dass der “Lebensretter” zweisprachiges Wörterbuch oft mehr verwirrte als klärte, wenn sie nicht lernten damit umzugehen und vor allem auch andere Werke und Dokumente zu Rate zu ziehen. Am Ende des Semesters kamen sie u.a. zu dem Schluss, dass die schwerste Übersetzung die literarische sei. |
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5.3. |
Beurteilung der Übersetzungsleistung |
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Als Hauptkriterium bei den Übersetzungen ins Deutsche gilt die grammatische Korrektheit. Auch hier kann man noch verschieden gewichten; ich bewertete z.B. Rechtschreibfehler mit einem halben Fehlerpunkt, Genusfehler mit einem, Tempusfehler und Wortauslassungen mit zwei, Konjugations- und Deklinationsfehler mit drei bei einem angemessenem Limit an Gesamtfehlerpunkten. Auf semantischer Ebene soll der Inhalt/Sinn gewahrt werden; freie Übersetzungen können also durchaus korrekt und sogar kreativ sein und Pluspunkte einbringen. Man kann nicht davon ausgehen, dass die Studenten im Laufe der Veranstaltung, d.h. in kurzer Zeit ein besonderes Stilvermögen entwickeln. Es ist von daher nicht anzuraten, großen Wert auf stilistische Fertigkeiten zu legen, es sei denn, es wird in die Muttersprache übersetzt. |
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Im Laufe der Auseinandersetzung mit den genannten Fachrichtungen, nämlich der “Übersetzung” sowohl in der Germanistik und als auch in “Traducción e Interpretación” - letztere “titulación de nuevo cuño” und erstere auch erst noch im Aufbau begriffen - habe ich beobachtet, dass sich die Übersetzungswissenschaftler im Allgemeinem mit einem größeren Selbstverständnis gegen die Germanistik abgrenzen als umgekehrt. Dies bestätigen mir Aussagen wie “Traducción y Filología tienen finalidades completamente distintas” oder “la ‘traducción’ como ejercicio meramente lingüístico que se utiliza para aprender la lengua en Filología Alemana” (Antworten aus meiner Umfrage). Dazu kam mir der Gedanke: ¡Qué claro lo tienen!, wo doch eigentlich noch vieles offen steht und die Möglichkeiten der “Übersetzung” im Germanistikstudium noch nicht ausgeschöpft sind. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Fach einen großen Beitrag zur Sprachpraxis leistet, aber darüber hinaus auch neue und ernst zu nehmende Aufgabenfelder für den angehenden Germanisten erschließen kann. Wie es in Zukunft gestaltet wird, hängt davon ab, welche Chancen, sprich wie viele Kreditpunkte man ihm gewähren will. |
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Bibliografía:
Becher, Gabriele, 1992. „Criterios, métodos y material didáctico para la enseñanza de ‘La civilización/cultura de un país’ en el programa de lenguas extranjeras orientado a la traducción (alemán)“. In: El Guiniguada 3 (1992), páginas: 331-337. (=Becher 1992).
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Collados Aís, Ángela, y Concepción Sánchez-Adam, y Claudia Seibel, 1999. „Análisis de la procedencia de los conocimientos de lengua en los estudiantes de alemán (B y C) en los Estudios de Traducción e Interpretación de la Universidad de Granada“. In: Universo de Palabras. Actas del I Simposio de la Traducción del/al Alemán. Eds. Pilar Elena, Carlos Fortea, Carmen Gómez, Mª Ángeles Recio, Silvia Roiss, y Dieter Wiggert. Salamanca: Facultad de Traducción e Interpretación de la Universidad de Salamanca, Embajada de Austria y Embajada de la República Federal de Alemania, 1999. Páginas: 31-41. (=Collados / Sánchez-Adam / Seibel 1999).
García Yebra, Valentín, 1982. Teoría y Práctica de la Traducción. Madrid: Gredos, 1982. (=García 1982).
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Scherer, Hans, 1993. Kommentierte Übersetzungen Spanisch-Deutsch. Bonn: Romanistischer Verlag, 1993. (=Scherer 1993)
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Notas:
1: |
Es handelt sich um das Jugendbuch Gib mir einen Kuß, Larissa Laruss von Lukas Hartmann und um das Kinderbuch Charly, die Supermaus von Gerd Fuchs. In der Übersetzung lauten die Titel jeweils Dame un beso, Larissa Laruss und El ratón cazagatos. |
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2: |
Pilar Estelrich, persönliche Nachricht vom 16. 11. 1999. |
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PROFA. DRA. BARBARA HEINSCH HEBBEN
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